Nach drei Jahren stellt das Modellprojekt „Prävention und Rehabilitation für pflegende Angehörige“ Konzepte zur Verfügung, mit denen weitere unterstützende Angebote für pflegende Angehörige fundiert geschaffen werden können.
Sie sind der größte Pflegedienst der Republik: Menschen, die sich um ihren pflegebedürftigen Partner, ihre Eltern oder andere Angehörige kümmern. Allein in NRW sind es mehr als eine Million pflegende Angehörige, die nicht selten an den Rand der Erschöpfung geraten. Doch trotz Rechtsanspruch: Speziell auf pflegende Angehörige ausgerichtete Präventions- und Rehabilitationsangebote gibt es noch viel zu wenige, bestehende werden zudem viel zu wenig genutzt. Lösungen suchte und fand das Verbundvorhaben „Prävention und Rehabilitation für pflegende Angehörige“, kurz: PuRpA, Die darin zusammengefassten drei inhaltlich miteinander verbundenen Modellprojekte wurden von der Stiftung Wohlfahrtspflege NRW gefördert. Nach drei Jahren Projektdauer präsentierten die Projektpartner AW Kur und Erholung sowie der Caritasverband für das Erzbistum Paderborn bei einer Abschlusstagung in der Hochschule Bielefeld die Ergebnisse.
Die Entwicklung und Validierung der Modellprojekt-Konzepte sowie deren Erprobung in kooperierenden Vorsorge-, Reha- und Pflege-Einrichtungen an Modellstandorten in NRW wurde wissenschaftlich begleitet von der Hochschule Bielefeld, Institut für Bildungs- und Versorgungsforschung im Gesundheitsbereich. Die erprobten Angebote für pflegende Angehörige und Begleitpersonen seien „Leuchttürme für NRW, und auch für die Republik, weil viele Menschen davon profitieren können“, ist Prof. Dr. Norbert Seidl überzeugt, der die wissenschaftliche Begleitung des Projektes leitete.
Kornelia Schmid, Vorsitzende des Vereins „Pflegende Angehörige“ und Mitglied im Beirat des PuRpA-Verbundes, betonte in einer Videobotschaft, wie wichtig das Verbundvorhaben aus ihrer Sicht sei. Sie kritisierte, es fehle in Deutschland an Wertschätzung gegenüber pflegenden Angehörigen. Seit 30 Jahren pflege sie ihren an MS erkrankten Mann und wisse daher, wie wichtig es sei, „rauszukommen aus diesem Pflegeleben und wieder Kraft zu schöpfen“. „Sonst geht man körperlich und psychisch kaputt.“ Das spiegelt auch das Motto ihres Vereins wider: „Pflegebedürftigen kann es nur gut gehen, wenn es Pflegenden gut geht.“ Das Projekt habe sie „begeistert“, auch weil es das Haupthindernis angehe, das Angehörige von einer ihnen theoretisch zustehenden Kur abhalte – die Versorgung des Pflegebedürftigen in dieser Zeit. „Meine Hoffnung ist, dass von diesem wertvollen Projekt etwas übrigbleibt“, sagte sie in Richtung der Politik.
„Unsere Ergebnisse zeigen, wie groß die Bedarfe bei pflegenden Angehörigen sind“, sagte Martina Böhler von der AW Kur und Erholung, die zwei der drei Teilprojekte leitete, die Konzeptentwicklung für die „Stationäre Vorsorge und Rehabilitation für pflegende Angehörige“ sowie das „Case Management für pflegende Angehörige“. Nun brauche es neben „Einrichtungsträgern mit Herzblut“, die die Konzepte umsetzen, vor allem auch den politischen Willen die Entlastung von pflegenden Angehörigen voranzutreiben. Wichtig sei auch das Einverständnis der Kostenträger, namentlich der Kranken-, Pflege- und Rentenkassen, in Zeiten knapper finanzieller Ressourcen die Umsetzung der Konzepte in die Praxis zu fördern, sagte Verena Ising-Volmer vom Caritasverband für das Erzbistum Paderborn, die das dritte Teilprojekt leitete, die Konzeptentwicklung für „Begleitangebote für pflegebedürftige Begleitpersonen während einer stationären Reha-Maßnahme eines pflegenden Angehörigen“. Auch gesetzliche Änderungen seien notwendig. betonte Rechtsanwalt Dr. Dr. Thomas Ruppel, der die Projekte sozialrechtlich begleitete. So spiele das „Pflege-Tandem“, also der pflegende sowie der pflegebedürftige Angehörige zusammen, bisher keine Rolle im Sozialrecht. Beide müssten aber gemeinsam in den Blick genommen werden, um pflegende Angehörige wirksam zu unterstützen. Gleiches gilt für das Case Management, auch hier fehlt es an einer Verankerung des Anpruchs in den Sozialgesetzbüchern. Beiratsmitglied Stefan Frechen von „Wir pflegen!“, der Interessenvertretung pflegender Angehöriger in NRW betonte, die Refinanzierung der der in den Modellprojekten entwickelten Angebote dürfe angesichts der „kostengünstigen Pflege durch Angehörige“ eigentlich gar kein Problem sein. Teuer werde es erst, wenn Angehörige überlastungsbedingt ausfallen.
Karl-Josef Laumann, Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen, zeigte sich in einem schriftlichen Grußwort erfreut über die erarbeiteten konzeptionellen Grundlagen für präventive und rehabilitative Maßnahmen von pflegenden Angehörigen. „Ich bin mir sicher, dass die im Projektverbund entwickelten Rahmenkonzepte einen nützlichen Beitrag dazu leisten können, in Nordrhein-Westfalen noch mehr von diesen sinnvollen Vorsorge- und Rehabilitationsangeboten zur dringend notwendigen weiteren Entlastung pflegender Angehöriger zu schaffen“, so Laumann.
Marco Schmitz, Vorsitzender des Stiftungsrates der Stiftung Wohlfahrtspflege NRW, lobte, „mit großer Hingabe und Engagement“ habe der Verbund der Modellprojekte das Ziel verfolgt, „Zufriedenheit und Wohlbefinden der Pflegenden als auch der Gepflegten zu erhöhen“ und somit „das gesamte familiäre Pflege- und Betreuungssetting zu entlasten und zu stärken“.
Esther van Bebber, Direktorin des Caritasverbandes für das Erzbistum Paderborn, lobte die Ergebnisse. Es sei „eine Mammutaufgabe“ gewesen. Als Caritas mit vielen Zugängen zu Menschen in der ambulanten Pflege wisse man um den Bedarf an Beratung und Angeboten für pflegende Angehörige. Das Wagnis des Projektverbundes mit vielen verschiedenen Partnern habe sich „wirklich gelohnt“. Andreas Frank, Geschäftsführer der AW Kur und Erholung, betonte, der Dialog mit Krankenkassen, Rentenversicherung und der Unfallkasse sei „sehr befruchtend“ gewesen. Das Projektteam habe „ausgezeichnete Arbeit“ geleistet. „Ich bin zuversichtlich für die Zukunft.“
Info:
Ausführlich werden die Ergebnisse des Modellprojekts Anfang 2024 in einem Projektbericht veröffentlicht. Weitere Informationen zum Modellprojekt „Prävention und Rehabilitation für pflegende Angehörige“ (PuRpA): https://www.hsbi.de/inbvg/projekte/versorgungsforschung/purpa (Hochschule Bielefeld), sowie:
- Modellprojekt 1 – Konzeptentwicklung stationäre Vorsorge und Rehabilitation für pflegende Angehörige: https://aw-kur.de/node/27574 (AW Kur und Erholung)
- Modellprojekt 2 – Konzeptentwicklung Case Management für pflegende Angehörige: https://aw-kur.de/node/27575 (AW Kur und Erholung)
- Modellprojekt 3 – Konzeptentwicklung zu Begleitangeboten für Pflegebedürftige: https://www.caritas-paderborn.de/beraten-helfen/gesundheit/begleitangebote-fuer-pflegebeduerftige/begleitangebote-fuer-pflegebeduerftige (Caritasverband für das Erzbistum Paderborn)
Foto: Stellten bei einer Abschlusstagung in der Hochschule Bielefeld Ergebnisse des Modellprojektes „Prävention und Rehabilitation für pflegende Angehörige“ vor ( vorn v. l.): Prof. Dr. Änne-Dörte Latteck (Projektleitung Q-Projekt Hochschule Bielefeld (HSBI)), Prof. Dr. Norbert Seidl, MPH (Projektleitung Q-Projekt HSBI), Prof. Dr. Christa Büker (Projektleitung Q-Projekt HSBI), Verena Ising-Volmer (Caritasverband für das Erzbistum Paderborn, Projektleitung Modellprojekt 3), Diözesan-Caritasdirektorin Esther van Bebber, Kathrin Waldhoff ((Caritasverband für das Erzbistum Paderborn, Abteilungsleitung Gesundheits- und Altenhilfe), sowie (hinten v. l.) Norbert Killewald (Vorstand und Leiter der Geschäftsstelle der Stiftung Wohlfahrtspflege NRW), Martina Böhler (AW Kur und Erholungs GmbH, Projektleitung Modellprojekt 1+2), Dr. Dr. Thomas Ruppel (Fachanwalt für Medizinrecht), Andreas Frank (Geschäftsführer AW Kur und Erholungs GmbH), Norbert Albrecht (Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes NRW, Referatsleitung Referat VII A 5 - Beratungsstrukturen, Pflegende Angehörige, Häusliche Pflege, Landesförderplan)
(Foto: Markus Jonas)